Wednesday 10 October 2012

Von da nach dort

In der näheren Umgebung bewegen wir uns gerne zu Fuss, auch wenn es gewöhnungsbedürftig ist. Das Trottoir, wenn es denn eines hat, ist oft zu dreckig und verpisst oder zugeparkt, so dass wir, wie die meisten andern Leute, auf die Strasse ausweichen. Eingeklemmt zwischen parkierten Autos, Rikschas, Tuktuks und Autos sucht man sich seinen Weg, hoffentlich ohne überfahren zu werden. Abends noch etwas gefährlicher, da es nur ganz wenig Strassenbeleuchtung gibt und nur die Autos und einige Tuktuks über Licht verfügen. Es lohnt sich auch, auf die Strasse zu achten, denn der Teerbelag ist nur auf den Schnellstrassen ziemlich flächendeckend. Die Nebenstrassen sind oft gar nicht (mehr) geteert und voller Löcher. Nichtsdestotrotz wird eifrig gewischt – unsere Strasse wird jeden Tag von einer Frau im Sari mit einem Handbesen gewischt. Die Staubwolke bleibt eine Weile hängen.

Unsere erste Rikschafahrt fand im Stoßverkehr statt - millimetergenau hat eine neue Bedeutung bekommen! Die Rikschas sind permanent auf Kollisionskurs mit andern Rikschas, Tuktuks, Autos – so sieht es wenigstens aus.  Ich wäre schon längst abgestiegen! Aber immer reicht es – keine Schramme. Wie wenn die Fahrer mit ihrer Rikscha als Körperverlängerung leben, kurven sie so knapp wie möglich um die andern Verkehrsteilnehmer herum und bremsen nur, wenn es unvermeidlich ist. Denn dann muss die Rikscha mit den zwei, manchmal sogar drei Passagieren wieder mühsam in Fahrt gebracht werden. Harte Arbeit! Das Verhandeln des Preises ist zäh, wenn man es nicht gewohnt ist. Dauernd hat man das Gefühl, viel zu wenig zu bezahlen. Die Tuktuks heissen hier Autos, und ein Auto ist ein Taxi oder ein Car (mit Driver). Ein Privatauto ist vermutlich ein Car - wir haben ncoh niemanden mit einem eigenen Auto getroffen, ausser dem Schweizer Botschafter mit seinem Botschaftsauto. Aber das ist ein Car mit Driver, und, im Falle des Botschafters, eines Drivers mit Turban. Sehr distinguiert. Der Turban hatte genau die Farbe des Schweizer Fähnchens.

Vorfahrt?


Ich bin überhaupt froh, hier nicht fahren zu müssen – einmal der Linksverkehr, dann fehlen oft Strassennamen (von Hausnummern ganz zu schweigen) und Wegweiser sind auch sehr spärlich zu entdecken. Aber mehr Mühe würde mir das permanente Spurwechseln bereiten – sieht man eine Lücke oder auch nur einen Hauch davon, wird sofort die Spur gewechselt, und alles mit lautem Hupen oder Klingeln begleitet. Das webt und mäandert und bewegt sich dauernd von links nach rechts nach links – in der Spur bleiben gibt es nicht, weil es keine hat, und nebeneinander fahren so viele Fahrzeuge, wie eben Platz haben. Aussteigen könnte man da nicht. Deshalb gibt es hier auch fast nur kleine Autos, und wenn mal ein protziges SUV auftaucht, blockiert es gleich die Strasse. Sie sind hier in dieser Stadt noch sinnloser als am Züriberg.

Am gefährlichsten sind die Motorräder, sie fahren am schnellsten und versuchen sich zwischen allem hindurchzuquetschen. Oft sitzen hintendrauf Frauen in ihren flatternden Saris, im Damensitz natürlich, ohne Helm, vielleicht noch ein Kind zwischen sich und dem Fahrer. Diese Duftigkeit der Stoffe und die wunderbaren Farben stehen in krassem Kontrast zu Lärm, Abgasen – der Smog!!!! - und dem allgemeinen Verkehrchaos. Wobei Chaos nicht ganz richtig ist – es funktioniert, nur ist für uns das Muster (noch) unbekannt.

Frau im Sari auf Fahrrad

Im Taxi

Superman

Die Metro ist sehr modern und angenehm. Bei unserer ersten Fahrt hatten wir Glück, es fuhr gerade ein Zug ein. In dem Wagen waren lauter Frauen, in ihren wunderbaren Saris und Kurtas, so schön farbig! Wir werden natürlich ausgiebig gemustert und betrachtet, immer und überall, also auch hier. Nachher haben wir dann realisiert, dass wir unsere erste Fahrt im ausschliesslich für Frauen reservierten Wagen gemacht haben! Peinlich peinlich. Aber niemand hat reklamiert, gegenüber den Westlern gibt es eine grosse Toleranz (die haben ja sowieso keine Ahnung). Die Frauenwagen sind mit rosa Pfeilen markiert. (Wenn man es weiss, sieht man es auch.) In den andern Wagen überwiegen eindeutig die Männer, und ich werde einfach ausgiebig angeschaut. Sie schauen einfach, sie starren nicht, es hat nichts Aggressives.  Wer ein bisschen Aufmerksamkeit braucht, soll einfach eine Woche lang in New Delhi Metro fahren!

Bei jeder Station wird man gescannt, Männer und Frauen getrennt, und jede Station ist bewacht. In einer Sandsackburg sitzt ein Soldat und hält das Gewehr im Anschlag. Ein bisschen mulmig wir einem da schon. Auch an Kreuzungen oder belebten Plätzen sieht man diese Sandsackburgen, und manchmal sind sie besetzt. Es gibt eine starke Polizeipräsenz hier, aber nicht unangenehm. Wir haben auch einen privaten Securitas vor einem Kleidergeschäft mit einem Riesengewehr patroullieren sehen,  und nachts wird das Viertel engmaschig von Wächtern kontrolliert. Ihre Trillerpfeifen gehören zu den Nachtgeräuschen.

 Ein Polizist in seiner hellbraunen Uniform sass bei der Metrostation auf einer Bank, das Gewehr nachlässig daran gelehnt, und ein Junge putzte ihm die Schuhe. Die beiden plauderten miteinander – es wirkte ganz entspannt. Nein, kein Foto dazu – erstens war ich zu langsam wie so oft, und zweitens habe ich mich nicht getraut.  



So dunkel ist es abends um 9 in der Nähe der Metrostation Lajpat Nagar:
Lajpat Nagar



Supertaxi Nr. 3
Händler mit Driver

Rikschafenster

Und in all dem Menschen-, Fahrrad- und Blechgewirr und Gehupe und Geklingel - da spielen die Kinder Versteckis:


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