Monday 5 November 2012

Varanasi


Ja, etwa so kennt man Indien aus dem Geo oder National Geographic. Um einiges urtümlicher, ärmer, ländlicher als Delhi, farbiger, lebendiger. Der Lärm auf der Strasse ist gewaltig, obwohl die Strassen recht schmal sind. Platz ist vielleicht für zwei Autos nebeneinander, aber da kennt man die Inder schlecht – da kommen ruhig 2 Autos, zwei Tuktuks, drei Motorräder und eine Velorikscha nebeneinander vorbei, ohne die Fussgänger umzufahren. Hupen statt blinken, und weil man es eh fast nicht mehr hört, muss man einfach noch lauter und länger hupen. Irgendwie logisch.


Die Leute hier sind sehr an Touristen gewöhnt, und doch wirken wir sehr fremd. Kinder berühren manchmal meinen Arm, vielleicht um zu schauen, ob die Farbe echt ist ... Sie haben ein ganz anderes  Distanzgefühl und gehen ohne Probleme auf Tuchfühlung. Und drängeln ist normal, da muss man die Schweizer Anstandsregeln kurz mal vergessen, sonst kriegt man nie ein Ticket oder eine Platz im Bus. Die sind vielleicht schnell!
 
Wir sind im Alice Boner-Haus untergebracht – einfach toll. Direkt am Assi Gath, mit Sicht auf den Ganges. Das Haus ist wunderbar, ein etwa 200jähriges Haus mit einem Innenhof und dicken Mauern. Gut für die Temperatur. Terrassen mit Blick auf den Ganges! 
Und so sieht es hinter dem Haus aus:
Das Haus hat eine Aura wie vor hundert Jahren. Alice Boner war eine Schweizer Künstlerin, die hier gelebt hat und unter anderem für ihre Erforschung von Hindu-Tempelfiguren, deren Bedeutung und Konzeption bekannt geworden ist. Sie ist auch massgeblich am Europa-Erfolg von Uday Shankar udn seinem Sohn, Ravi Shankar, beteiligt. 

http://en.wikipedia.org/wiki/Alice_Boner 
http://www.foto-ch.ch/?a=fotograph&id=30450&lang=de

Von der Terrasse sehen wir auf den Ganges und auch direkt auf die Strasse und die Bettlerinnen, die jeden Morgen hier "zur Arbeit"  kommen.

Am ersten Abend dröhnt ein Konzert auf dem Platz unter dem Haus – indische Sänger und Sängerinnen, ein Mix von traditioneller Musik und modernen Rhythmen. Lange und laut. Die Musiker haben offensichtlich Generatoren, denn wir essen bei Kerzenlicht – das Licht ist ausgegangen. Wir gewöhnen uns daran, dass mehrmals am Tag, für längere oder kürzere Zeit, das Licht ausgeht. Die Stromgesellschaften seien total korrupt, und die Rechnungen bezahle eh niemand, oder höchstens zur Hälfte. Grosses Vorbild ist Lucknow mit einer staatlichen Stromgesellschaft, denn da funktioniere die Stromversorgung. Wie war das mit den rufen nach Privatisierung??? In Amerika hat es ja auch nicht funktioniert, wir bezahlen immer mehr, die Rechnung wird immer undurchsichtiger und sich im Dschungel  der Stromfirmenangebote zurechtzufinden, ist fast unmöglich.
Jetzt bin ich froh um unsere handbetriebene wind-up Migros-Taschenlampe. Sie löst hier einige Verwunderung aus.

 

Wir wandern vom Assi Gath, wo wir wohnen, ein Stück am Ganges entlang, von einem Gath zum andern. Wir begegnen vielen Westtouristen, die wie wir von der abbröckelnden und meist nur noch zu ahnenden Pracht der Kolonialbauten und der Tempel fasziniert sind. Kinder verkaufen Kerzen, die man auf dem Ganges schwimmen lässt. Ihm habe ich versprochen, beim nächsten Mal eine Kerze zu kaufen, und als Beweis musste ich ihn fotografieren. Ich bin es ihm immer noch schuldig ...  

Die Guides wollen uns alle eine Bootsfahrt verkaufen, und wenn das nichts nützt, bieten sie Weed, Heroin oder Kokain  an, wie in einem Gemischtwarenladen. Was richtet der Tourismus bloss an. Beim Funeral-Gath sind die Feuer bereits am Brennen, die Zeremonien beginnen aber erst später, wir wollen weiter, wir sind auf der Suche nach einem guten Yogaort. 
Den Rückweg nehmen wir durch die Stadt - enge Gassen, es riecht nach Kuhdreck und Männerpisse (die pissen überall, ohne Hemmungen), Abwasser und mal auch nach Essen. Es sieht ein wenig aus wie in der Altstadt von Genua. Die Läden sind faszinierend – anders, farbiger, kleiner – und da geht das Licht aus. 

Alles ist dunkel, bis auf wenige Lampen, die batteriebetrieben sind. 
Die Leute reagieren gar nicht mehr darauf, sie machen einfach weiter, und schon brennen die ersten Kerzen beim Gemüsehändler. Ich muss jetzt auf die Pflastersteine schauen, um nicht in einen Kuhfladen zu treten. Und beinahe bin ich  mit einer Kuh kollidiert, ich habe sie einfach nicht gesehen, so dunkel ist es hier. Ein Teeverkäufer kommt uns entgegen – er trägt das Tablett mit dem Teekrug auf dem Kopf, und vorne drauf brennt eine Kerze. (Nein, kein Foto!)
Ich möchte jeden Shop fotografieren – die Farben sind fantastisch– türkis, hellgrün, hellbraun, hellblau – grün für den Arzt, natürlich!

Die Kühe sind überall, offenbar Stadtkühe, und ernähren sich vom Abfall. Hier gibt es noch Plastiksäcke, was in Delhi verboten ist, weil zu viele Kühe daran starben. 








In Delhi haben wir fast keine Metzgerläden gesehen und erst auf dem Markt gefunden - ziemlich versteckt. Hier gibt es auch nicht viele, aber ziemlich offensichtliche! Da wird man schnell zur Vegetarierin, wenn man bzw. frau es nicht schon wäre!




Am Morgen holen die Leute frische Milch gleich neben dem Kloster, und die Kühe stehen daneben und schauen zu. (Nein, auch kein Foto, leider!)
Blick ins Kloster – eine Kuh, und das Braune auf dem Dach, das sind die zum Trocknen ausgelegten Kuhfladen. Die kleinen Fladen im Bild rechts sind etwa handgross und kleben an den Mauern zum Trocknen - statt Brennholz.


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