Thursday 1 November 2012

Didi Contractor

Unser Hotel „Norling Guest House“ gehört zu einem grossen tibetanischen Komplex mit Kloster, Tempel und Institut und liegt in einem wunderschön angelegten Park in Sidhbari. Kongresse und Lectures, Meditationen und Forschungsprojekte bringen viele in- und ausländische Gäste, und viel Unterstützung für "Free Tibet".
Tempeleingang
wassergetriebene Gebetsmühle
 
gehört zum Haus















Der Hund unterhält uns beim Frühstück, während die Wischerin unbeeindruckt von den Fremden ihre Arbeit macht.
Die Kinder interessieren sich für uns oder was sie auf dem Tisch sehen. Aber bald verlieren sie das Interesse und spielen weiter.

Am Freitag besuchen wir Didi Contractor – was für ein Erlebnis! Sie ist 83 und baut „Mud“-Häuser,   Lehm- oder Erdhäuser. Ihr Schwiegervater war ein "constructor" - ein Bauunternehmer - und hat deshalb diesen Familiennamen angenommen. Passt! Jedes Haus ist möglichst umweltschonend gebaut und massgeschneidert für die Person, die darin wohnt. Didi achtet darauf, dass das Material für den Hausbau möglichst aus dem Boden und der Umgebung gewonnen wird: Der Aushub für das Fundament wird gebraucht, um die „mud“- Ziegel zu machen, die Steine werden entweder für das Fundament gebraucht oder in den Garten integriert. Bambus und Schiefer aus der Gegend ergeben das Dach.  Die Ziegel oder Backsteine werden aus Erde und Kuhmist gemixt und dann in der Sonne getrocknet. Man soll die Ziegel nicht „backen“, denn dann seien sie tot und der ewige Kreislauf allen organischen Materials werde unterbrochen. Wenn eines ihrer Mud-Häuser kaputt geht, dann werden die Ziegel wieder zur Erde und darauf kann wieder etwas wachsen. 

 Beton und Eisen braucht sie höchstens für  ein stabilisierendes Band auf der untersten Steinschicht, das über die Ecken mit Eisen im Dach verbunden ist - ihr Privatrezept für erdbebensicheres Bauen. Wenn überhaupt, dann würde das Haus nach aussen zusammenfallen. Sie meint, zum Glück seien ihre Häuser in den 14 Jahren, seit sie baut,  nicht getestet worden! 
Die Wände  werden mit einer Mischung aus Kuhmist, Papiermaché und Dreck bestrichen, verstärkt mit etwas Kunstharz, was einen einen wunderbaren warmen Erdton ergibt. Diese Bauweise ist im Monsun viel verträglicher als Zement und Beton – die Feuchtigkeit wird nicht aufgesogen und so entsteht bedeutend weniger Schimmel. Didi meint sogar, dass diese Wände vor Strahlung und Elektrosmog schützen, so dass der Handyempfang eingeschränkt sei. Ich hab’s ganz vergessen zu überprüfen. 
Ich fühle mich sofort ausserordentlich wohl in diesen Räumen, es ist einfach angenehm. Diese  Häuser scheinen auch die Temperatur gut auszugleichen.  Wir essen Lunch – mit braunem Reis! – weil es da wärmer ist als im Haus. Draussen entdecke ich einen grossen Solarkocher – das sei ihre erste Karriere  gewesen (jetzt ist sie etwas bei der vierten angelangt) – auf dem Land Solarkocher bekannt zu machen. Das Problem war und ist, dass die Leute weit vorausplanen müssen. Aber clever, ich habe einen Bausatz in Spanien, der aufs Zusammenbauen wartet.
--> http://www.tehelka.com/story_main48.asp?filename=Ne111210INSPIRATIONS.asp 
Didi muss zu einer Baustelle fahren, obwohl ihre kürzlich gebrochenen Hüfte noch nicht ganz verheilt ist. Sadhana „übernimmt“ uns und zeigt uns weitere Didi-Häuser: Wir besuchen die Klinik von Doctor Barbara, einer Oesterreicherin, die einen Inder geheiratet hat. http://en.wikipedia.org/wiki/Barbara_Nath-Wiser http://buchdeutsch.1000peacewomen.org/index.php  Es sind die angenehmen Proportionen, das etwas Verwinkelte, das einen gar nicht an Krankheit denken lässt. Hierher kommt man gerne, denke ich. Im Community-Center, das Doctor Barbara ebenfalls von Didi bauen liess, treffen wir auf Felix, einen Oesterreicher, der hier seinen Zivildienst ableistet, zusammen mit einer Praktikantin, auch aus Oesterreich.
Er arbeitet mit den Kindern, unter anderem hier in der Bibliothek, und findet diese Art Zivildienst einfach genial – er scheint es zu geniessen, und die Kinder auch.
Es passiert hier einiges – ein Computerfachmann, auch aus Oesterreich,  unterrichtet die LehrerInnen, und in einem andern Raum lernen die Kinder für die kommenden Prüfungen. Im obersten Stock stehen zwei alte Singer Tretnähmaschinen, da werden Taschen und Yogatragtaschen hergestellt.  
Das gibt gerade ein Geschenk für Vidya, die uns den Kontakt zu Didi vermittelt hat (und uns das Sivananda-Yogastudio empfohlen hat). Hier einige Informationen über die Nishtha-Foundation, die das Community-Center unterstützt:
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http://en.wikipedia.org/wiki/Nishtha_%E2%80%93_Rural_Health,_Education_ and_Environment_Center
Während wir mit Sadhana zu ihrem Didi-Haus spazieren, grüssen sie die Leute mit grosser Verehrung – sie ist hier offensichtlich bekannt und beliebt. Hier sehen wir die traditionelle Begrüssung – die Hände zusammengelegt und den Kopf geneigt. In der Stadt sieht man das nicht, oder wir sehen es nicht. 
Ein Propagandawagen fährt an uns vorbei - bald sind Wahlen - und der Sprecher stellt sofort um auf Englisch, weil er in uns potentielle Wähler vermutet. Wir fragen, was die Gasflasche auf dem Wahlplakat bedeutet - nichts!  Jede Kandidatin oder jeder Kandidat "braucht" ein Symbol, und vielleicht war nur noch gerade das frei. Das Telefonsymbol dieses Kandidaten bedeutet also nicht etwa "exzellente Kommunikation" oder "Festanschlüsse für alle" - schliesslich haben alle ein Handy.
Nun warten wir auf den Bus, der uns über Nacht nach New Delhi zurückbringen soll – eine gut 10stündige Fahrt im „Volvo“, das bedeutet hier ExpressBus mit SemiSleeper-Sitzen und Air Conditioning. Volvo bezieht sich nicht (mehr) auf die Automarke, es kann auch ein Tata sein. Tata fabriziert fast alles hier!

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