Wir fahren am 23. Oktober zum ersten Mal mit dem Zug, in
einem komfortablen AC- Express mit reservierten Sitzplätzen, und zwar nach Chandigarh. Zuerst gibt es Tee,
dann ein kleines Frühstück, und jedesmal pro Person eine kleine Thermoskanne
mit heissem Wasser für den Tee. Es ist mir ein Rätsel, wie das die Schaffner in
der Miniküche schaffen. Als Dessert gibt es zwei „Alpenliebe“- Bonbons! Nach jedem Essen kommt der Besenmann und wischt die
Krümel und Papiere weg. Wir
fahren an Slumquartieren von Delhi vorbei, wo die Leute gerade an der
Morgentoilette sind, also die brachliegenden Grasflecken oder das Bahnbord als
Toilette benützen. Die Frau vor sagt zu ihrem kleinen Sohn: „Schau jetzt nicht hinaus!“
Wir wollen schon wieder abzockeln, da meint der Polizist mit
dem Gewehr, wir sollen ruhig rein gehen, einfach das Gepäck draussen lassen, vor allem
die Kameras. Die Macht hat klar mit der Waffe. Wir kommen in
den ersten Stock, und da wird etwas von dem Monumentalen von Corbusier sichtbar
– grosse, farbige Trennwände, sehr imposant, sehr schön – rot, blau, gelb, grün.
Weil heute ein Feiertag ist – Durehssa –
ist alles geschlossen, aber wir bekommen doch ein Pepsi in einer zusammengebastelten Beiz unter einem riesigen Baum. Wir wandern auf der staubigen Strasse zur Bushaltstelle - es ist eigentlich überall staubig hier, deshalb sind die Flipflops am geeignetsten. Der Busfahrer meint, der Rock Garden sei in der andern
Richtung. Wir machen uns auf den Weg und suchen die andere Bushaltstelle, bis
wir merken, dass wir direkt vor dem Rock Garden stehen.
Die nächsten vier Stunden wandern wir durch eine Wunderwelt, aus Beton, Stein und Geschirrscherben geformt.
Auf einem grossen Platz essen wir Momos, und zack! sind wir von
Schulmädchen umringt. „Hello! How are you?“
und dann – Fotos!!! Mit mir und Alex, nur mit Alex, nur mit mir, und jedes
Mädchen hat ja ein Handy, also das Ganze etwa gefühlte hundertmal ... und dann
kommt der Lehrer, setzt sich fast auf unsere Momos und will natürlich auch ein
Foto mit uns beiden. Dann dasselbe noch mit einer Jungenklasse, die sind
einiges aufdringlicher als die Mädchen (logisch) und sprechen schlechter
englisch, und dann machen wir uns schleunigst auf den Rückweg.
Auf der Rückfahrt ins Zentrum sehen wir von
den Corbusierbauten nicht gerade viel, denn die Strassen sind sehr breit
angelegt und dicht von Bäumen gesäumt – man sieht fast keinen der Wohnblöcke.
Es nimmt mich wunder, ob Corbusier wirklich die Vordächer und Lauben vergessen
hat – ausgerechnet in Indien! Nur im Sektor 17
sehen wir die einförmige Shoppingmeile mit den üblichen Reklameschildern -
Sony, Toshiba usw. Sieht etwas langweilig aus, und überall bröckelt der Beton.
In Chandigarh werden wir von den
Rikschafahrern belagert, aber wir wollen mit dem Bus fahren. Wir schaffen es
auch, nach vielem Fragen und allerlei unterschiedlichen Auskünften. Wir fahren
zum Sektor 17, dann in den Sektor 8 und wollen eigentlich zum Secretariat und
den typischen Corbusiergebäuden. Corbusier hat diese Stadt aus dem Nichts
entwickeln können, ohne bereits vorhandene Strukturen, die seine Ideen
eingeschränkt hätten. Der Grundriss ist
schachbrettartig, die Quartiere sind nummeriert, in sogenannten Sectors
organisiert und sehr grosszügig und weitläufig konzipiert. Alle Gebäude sind im
selben Stil, aus Beton und in der Norm dreistöckig gebaut, nur die staatlichen Gebäude oder rerpäsentativen Bauten sind höher.
Irgendwie landen wir dann im High Court,
alles top secret natürlich, viel Polizei, immer mit dem Gewehr im Anschlag. Wir
fragen, ob wir das Gebäude besichtigen können, aber sofort heisst es: Permit?
Haben wir nicht.
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Wir sehen auch die Hand und den Turm, den wir eigentlich anschauen wollten,
wenigstens von weitem. Hier ein Bild vom Internet:
Auf diesem Youtube-Film über Chandigarh
bekommt man einen guten Eindruck: http://www.youtube.com/watch?v=jPK9wmNH_CI
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Die nächsten vier Stunden wandern wir durch eine Wunderwelt, aus Beton, Stein und Geschirrscherben geformt.
Offenbar hat sich Nek Chand von Corbusier inspirieren
lassen, was den Beton als Gestaltungselement betrifft. Die Formen stehen jedoch
im totalen Gegensatz dazu – sie sind sehr naturnah und wirken organisch.
Die
Durchgänge lassen manchmal gerade eine Person passieren, und einige „Tore“ sind
so niedrig, dass höchstens Achtjährige aufrecht durchgehen können.
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Das letzte Wegstück ist bevölkert von
Fantasiefiguren:
Und mitten in diesen Figuren diese Szene:
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Endlich! |
Wir sind tatsächlich in eine
Bollywood-Produktion geraten! Es sei eine berühmte Schauspielerin, und die Szene besteht aus zwei Schritten, bis sie sich in die Arme fallen können. wichtig: DeieSonnenbrille.
Die Filmer sind sehr erfreut, dass sich Alex
interessiert und auch filmt - in Amerika hätten sie uns schon längst abgeführt.
Switzerland? Oh, sie hätten letztes Jahr auf dem Jungfraujoch gefilmt, seien in Genf und Bern
gewesen – very beautiful country!
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Filmcrew |
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Unser Bus geht um 23.30, und nicht etwa vom Busbahnhof mit den über hundert Bussen,
sondern offenbar bei einer Tankstelle.
Wir überqueren einige Strassen, klettern über staubige Böschungen und Rabatten
und dann warten wir. Mit gut einer Stunde Verspätung fahren wir los, dafür in
einem Affentempo. Das spüren wir vor allem, als sich der Bus in die Kurven hinauf nach
Dharamshala legt - ein bisschen wie die alte Strasse zum Gotthardpass, nur viel enger und viel schlechter, und die Leute
fahren viel schneller. Der Fahrer, ein Sikh – stark vertreten im Verkehrswesen
- ist fantastisch. Er hält sich mit CDs wach, einem faszinierenden Gesang, der fast nur auf einem Ton basiert.
Von diesen wunderbaren Tönen eingehüllt, drifte ich einen Halbschlaf, von Kurve
zu Kurve geschüttelt, und fühle mich wohl.
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